Heute werden meine Freunde und ich unsere Altersrente abholen. Wir treffen uns alle im Rentenbüro. Wir haben einander viel zu erzählen und dann werden wir Obst und Brot bei den Marktfrauen am Straßenrand außerhalb des Rentenbüros kaufen. Heute sollte ein fröhlicher Tag werden bei all der Vorfreude auf Weihnachten. Aber es gibt keine Freude, keine freudige Erwartung. Im Gegenteil, die meisten von uns sind erschöpft, nicht nur weil wir bei der Hitze und Sonnenglut lange Wege zu Fuß laufen müssen, auch weil wir unsere erwachsenen Kinder, die an AIDS leiden, pflegen müssen und versuchen uns um all die Enkelkinder anzunehmen. Nokuthula, meine 26-jährige Tochter starb im Oktober an von AIDS bedingten Infektionen. Sie ließ mir ihre drei Kinder zurück und ich muss mich um sie kümmern. Die jüngste davon heißt Mbali. Mbali ist jetzt vier Jahre alt und hat nun dieselben Krankheitsanzeichen, die auch ihre Mutter hatte. Sie ist zu schwach zum Gehen, so muss ich sie auf dem Rücken mit mir herumtragen. Thokozani (7 Jahre) und Fikile (6 Jahre) sind auch noch zu klein, um allein daheim bleiben zu können und das in einer Gegend, in der Gewalt, Vergewaltigung und Kindsmißhandlung zum Alltag gehören. Wir müssen ganz schön erbärmlich aussehen, wenn wir gemeinsam auf den schlammigen Pfaden entlang gehen. Mbali und ihre Mutter waren eng miteinander verbunden, zumal sie zweieinhalb Jahre lang gestillt wurde. Aber es war diese Liebe, die ihr Schicksal besiegeln sollte, da auch sie jetzt AIDS im Endstadium hat. Mbalis Vater starb 2002. Wie ich so das Rentenbüro verlasse und meine paar Orangen und den Laib Brot von den Marktfrauen am Straßenrand fürs Abendessen nach Hause trage, geht mir durch den Kopf, was wohl mit den Kindern geschehen wird, wenn ich mal sterbe. Ich bin jetzt 82 und nicht allzu kräftig. Doch ich habe nicht viel Zeit zum Nachdenken, ich habe noch viel dringendere Probleme. Mbali weint, sie hat Durchfall, Mundfäule, verweigert jede Nahrung und ist nur noch Haut und Knochen. Wie soll ich damit nur fertig werden? Eine meiner Freundinnen erzählt mir vom Blessed Gérard’s Hospiz, wo man sich um ihre Tochter angenommen hatte. Sie war so beeindruckt, dass sie vorschlug, ich solle mit Mbali dorthin gehen. Ich drehe um und marschiere die acht Kilometer mit Mbali auf dem Rücken und Thokozani und Fikile hinter mir. Endlich erreiche ich Blessed Gérard’s Hospiz. Ich werde mit menschlicher Wärme und Respekt an der Rezeption empfangen. Es ist angenehm kühl hier drin und wir können uns endlich niedersetzen. Mbali ist so schwach, dass sie am Boden liegt. Eine Krankenschwester kommt und hebt sie auf; man bringt uns in einen Aufenthaltsraum, wo wir etwas Kühles zum Trinken angeboten bekommen. Die Krankenschwester bringt Mbali zum Untersuchungsraum. Dort beschließen wir gemeinsam, dass sie stationär ins Hospiz aufgenommen werden soll. Ich bin zwar sehr traurig, aber das Herz wird mir auf einmal viel leichter und ich bin so dankbar. Die Leute sind so lieb zu mir und zu den Kindern. Mbali wird in ein schönes sauberes Zimmer gebracht, wo auch andere Kinder sind, aber sie ist zu schwach, um das überhaupt wahrzunehmen. Ich gehe mit beschwingten Schritten von hier weg, obwohl es weit nach Hause ist, aber ich weiß, Mbali ist in guten Händen. Die mitfühlenden und aufmerksamen Leute im Blessed Gérard’s Hospiz haben mir gesagt, wenn Mbali etwas kräftiger ist, werden sie sie ins Obergeschoß ins Blessed Gérard’s Kinderheim bringen, wo sie dann spielen und lernen kann und mit viel Liebe umsorgt wird. Ich danke Euch, den Leuten, die im Blessed Gérard’s Hospiz und im Blessed Gérard’s Kinderheim mitarbeiten. Ihr habt mir enorm geholfen. Ich weiß, dass Mbali alle Pflege bekommt, die sie braucht, so kann ich mit ihrer Schwester und ihrem Bruder Weihnachten in Freude feiern.” Nachwort: Mbali hatte wirklich ein frohes Weihnachtsfest, aber ihr Zustand verschlechterte sich im Lauf der nächsten paar Wochen und schließlich rief Gott sie Ende Februar 2004 zu sich.
In sechs Tagen ist Weihnachten ...
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