Herbergssuche im Zululand. Ein Heim für Kinder ohne Zuhause.

Eine Sendung von Gaby Kuhn mit Pater Gerhard Lagleder OSB.Aufgezeichnet am 7. Dezember 2010Gesendet am 8. Dezember 2010: 16:30 Uhr  

Grüß Gott, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen! Ganz herzlich willkommen bei uns auf Radio Gloria. Mein Name ist Gaby Kuhn und ich darf Sie durch die Sendung begleiten.  Unser heutiges Thema bildet „Auf der Herbergssuche im Zululand. Das ist ein Heim für Kinder, die kein Zuhause haben.“ Unser heutiger Tagesgast, den ich begrüßen darf, ist der Pater Gerhard Lagleder. Weil aber der Pater Gerhard kein Schweizer Deutsch versteht, werde ich ab jetzt in Schriftdeutsch weitersprechen.  Bevor ich unserem Referenten das Wort überreiche, werde ich ihn und sein Projekt kurz vorstellen: Wie gesagt, unser heutiger Gast ist Pater Gerhard Lagleder aus Südafrika. Er wurde 1955 in Regensburg geboren, wo er auch 1982 seine Priesterweihe empfing. Im gleichen Jahr ist er in St. Ottilien dem Orden der Missionsbenediktiner beigetreten. 1994 wurde Pater Lagleder Magistratskaplan des Souveränen Malteser-Ritterordens. 1992 gründete Pater Gerhard im Zululand an der Ostküste Südafrikas die Bruderschaft des Seligen Gerhard. Es ist eine eigenständige Hilfsorganisation innerhalb des Malteserordens. Pater Gerhard leitet dort ein Heim für Kinder ohne Zuhause. An dieser Stelle übergebe ich Pater Gerhard das Wort , damit er uns mehr über sein Werk berichten kann. Grüß Gott, Pater Gerhard, und herzlich willkommen bei uns auf Radio Gloria!

Grüezi wohl! Hier ist der Pater Gerhard wieder aus dem Zululand in Südafrika. Ich war schon zweimal bei Ihnen im Radio zu Gast und ich freue mich sehr, dass ich heute wieder mit Ihnen etwas plaudern darf, und Ihnen etwas erzählen darf, heute über unser Kinderheim, das wir in Mandeni betreiben und betreuen.

 

Pater Gerhard, wie kommt ein Regensburger in einen Missionsorden und schließlich nach Südafrika?

Dies ist eine sehr lange Geschichte, die, um sie ganz kurz zu erzählen: Ich war an der Universität Regensburg, habe dort Theologie studiert, und bin dann zum Diözesanpriester geweiht worden. Aber in den letzten Jahren vor der Priesterweihe ist in mir sehr intensiv der Gedanke wach geworden, dass eine eigentliche, ganz radikale und kompromisslose Nachfolge Christi eigentlich Ordensleben bedeuten könnte für mich. Und ich hab mich dann erkundigt. Und ich hab sehr viele Freunde gehabt, die Ordensleute sind, und bin dann immer mehr zu dem Entschluss gekommen, dass das Ordensleben eigentlich meine wirkliche Berufung ist, weil ich mir dachte, dass ich eben gerade darin am kompromisslosesten dem Herrn und seiner Kirche dienen kann, und so habe ich mich dann etwa ein Jahr vor der Priesterweihe entschlossen, bei den Missionsbenediktinern in St. Ottilien einzutreten. Der damalige Erzabt, der der jetzige Abtprimas des Benediktinerordens ist, Notker Wolf, hat mir damals gesagt: „Wenn Du dich zum Priestertum berufen fühlst, dann mach aber erst fertig, und lass dich zum Priester weihen, denn wir können dich im Kloster ja nicht als Priester einsetzen, wenn Du noch nicht geweiht bist. Und wenn Du die Berufung verspürst, dann mach erst Deinen Schritt, oder geh Deinen Berufungsweg zu Ende.“ Und dann wurde ich in Regensburg am 28. Juni 1982 zum Priester geweiht und wurde am Tag der Priesterweihe zum Ordenseintritt beurlaubt und bin dann in St. Ottilien eingetreten bei den Missionsbenediktinern, und hab dann mein Jahr Noviziat gemacht, meine drei Jahre zeitliche Prozess, und dann, nach meiner feierlichen Profess, drei Monate später, saß ich im Flugzeug nach Südafrika. Ich wurde am 6. Januar 1987 von dem damaligen Erzabt Notker Wolf als Missionar ausgesandt ins Zululand, und bin eben seit dieser Zeit, das sind also jetzt knapp 24 Jahre, hier in Südafrika tätig.

Pater Gerhard, können Sie unseren Hörern beschreiben, wo Zululand liegt und wie man sich das vorstellen muss?

(Wenn Sie) die Landkarte (Südafrikas) genau in der Mitte zusammenfalten und an der Mittelfalte dann nach Osten gehen dann finden Sie Durban, eine riesengroße 4 Millionen Stadt am Indischen Ozean. Und wenn sie von diesem Durban aus 100 km nördlich gehen, kommen Sie an den Tugela-Fluss, an die Mündung des Tugela-Flusses in den Indischen Ozean. Und wenn sie da 10 km landeinwärts gehen, dann sind Sie genau in Mandeni, wo ich hin geschickt wurde. Ich wurde ursprünglich erst mal der Abtei Inkamana zugewiesen, der Benediktinerabtei Inkamana im Zululand in Südafrika, und die haben mich dann vor – jetzt sind's schon zu über 20 Jahre her – in dieses Gebiet geschickt, wo ich jetzt bin. Und dort bin ich dann eben erst mal Pfarrseelsorger gewesen, habe aber dann gerade in der Pfarr-Caritas meine ganz besondere Berufung gesehen, weil ich eben in ein Gebiet gekommen bin, wo so enorm große Not herrscht. Und die Kirche hat ja drei Wesensaufgaben – das weiß jeder, das lernt man im Katechismus-Unterricht – den Gottesdienst zu feiern, den Glauben zu verkünden und die Liebe Gottes in die Tat umzusetzen in der Nächstenliebe, in der Caritas, und genau dies habe ich getan. Und so war für mich eben die karitative Tätigkeit einer meiner Schwerpunkte, weil ich in einer Pfarrei war, in der ein Großteil der Leute nicht genug zum Leben haben, in dem es eine schreiende Armut gibt, in dem es unendlich viel Krankheit gibt und viel Not gibt. Und da muss die Kirche was tun. Und so dachte ich mir wir müssen als die Kirche versuchen, die Hilfstätigkeit ordentlich zu organisieren, und deshalb habe ich eben eine Hilfsorganisation gegründet, die wir nach dem Gründer des Malteserordens, dem Seligen Gerhard, die „Bruderschaft des Seligen Gerhard“ genannt haben, oder auf Englisch die „Brotherhood of Blessed Gerard“. Und diese ist jetzt heutzutage die größte katholische Hilfsorganisation Südafrikas geworden. Und da bin ich sehr dankbar, dass wir so viel Unterstützung haben, und so viele Leute, die bereit sind, den Armen und Kranken zu helfen. Und genau dies tun wir in Mandeni im Zululand.

Wie gesagt, sie haben im Zululand ein Waisenhaus für Kinder, die kein Zuhause haben, oder eben auch keine Eltern. Wie sieht denn Ihre Arbeit dort aus, Pater Gerhard?

Ja, da kann ich unendlich viel erzählen, denn da hängt ja wirklich mein Herzblut dran. Ich denke, ich soll Ihnen erst mal erzählen, wie es überhaupt dazu kam, dass wir dieses Kinderheim begonnen haben. Und zwar kam es einfach dadurch dazu, dass wir erst ein Hospiz begonnen haben. Und in diesem Hospiz betreuten wir, und betreuen wir immer noch Sterbende. Und es kommt sehr häufig vor, dass eine Mutter mit ihrem Kind ins Hospiz kommt, die Mutter dann stirbt – die meisten sterben leider an AIDS – und dann bleiben die Kinder übrig. Normalerweise würde in der Zulu-Gesellschaft die Familie die Kinder übernehmen, wenn eine Mutter stirbt, aber das große Problem ist, dass ja so viele von den Familienangehörigen auch schon an AIDS gestorben sind. Ich hab letzte Woche davon erzählt, dass bei uns drei Viertel der Bevölkerung HIV-positiv sind. Und bei dieser Durchseuchung sind einfach nicht mehr genügend Leute da. Und da bleiben dann viele Kinder übrig. Und so haben wir dann einfach Kinder, so genannte AIDS-Waisen, bei uns aufgenommen. Aber damit ist es nicht genug. Sondern wir haben dann auch sehr viele andere Kinder bekommen, sobald die gehört haben, dass wir ein Kinderheim eröffnet haben, und dies ist jetzt auch schon über zehn Jahre her. Und dort haben wir dann auch viele ausgesetzte Kinder bekommen. Wir haben vernachlässigte Kinder bekommen. Wir haben leider auch sehr viele misshandelte und missbrauchte Kinder bei uns. Wir haben kranke Kinder bei uns, und unter diesen kranken Kindern sind auch AIDS kranke Kinder. Wir haben auch Behinderte, körperlich und geistig behinderte Kinder, bei uns. Und natürlich, wir haben Waisenkinder bei uns, bei denen beide Elternteile gestorben sind, und um die kümmern wir uns.

Ich möchte Ihnen eine wahre Weihnachtsgeschichte erzählen: Am 21. Dezember 2003 wurde ein kleiner, vielleicht drei Tage alter Junge zu uns gebracht, und nachdem er als ausgesetztes Kind gefunden worden, ist er zu uns gekommen. Er war offensichtlich eine Frühgeburt und sehr schwach. Er war schwer dehydriert und unterernährt. Er hatte Mundfäule, was normalerweise ein Zeichen für eine Immunschwäche ist. Er hatte kaum Kraft, die eigene Babyflasche, an der Babyflasche zu saugen, und hat sofort nach dem Füttern erbrochen. Er hatte schweren Durchfall und wir hatten jeden Anlass, alles zu versuchen, sein Leben zu retten. Ich hatte dann so große Angst um ihn, dass ich ihm am selben Abend, als er eingeliefert wurde, noch die Nottaufe gespendet habe. Ich habe ihn in Todesgefahr getauft. Wir haben ihn dann durchgebracht, und er ist eben nicht gestorben. Er hat neue Kräfte bekommen, und – was bei ihm ganz dann eine eigenartige Sache war – er hatte ganz verkrüppelte Hände, und zwar waren die Hände 180° gedreht, so wie eingeklappt, so wie ein Klapp-Spaten nach unten, auf dem Unterarm gelegen, und wir mussten also dann in monatelanger Physiotherapie diese Arme gerade bringen. Und jetzt ist er nicht nur ein gut gewachsener Kerl, sondern er ist fröhlich und glücklich. Wie kam es überhaupt dazu? Die Geschichte möchte ich Ihnen auch noch erzählen: Wir sind dann später drauf gekommen, dass er eigentlich kein ausgesetztes Kind ist, sondern wir sind drauf gekommen, dass es eine Großmutter gibt, die sich um ihn annehmen sollte, weil die Mutter von dem kleinen Jungen überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist. Wir hatten damals keine Ahnung, und haben heute noch keine Ahnung, ob sie am Leben ist oder nicht mehr. Und die Großmutter von dem kleinen Jungen muss so frustriert gewesen sein mit der Tatsache, dass sie sich um ihn kümmern musste, dass sie ihn buchstäblich weg geworfen hat, und zwar in die Arme des Mannes, der ihn zu uns gebracht hat. Vermutlich ist der Mann der Vater des Kindes, aber er hat es nie zugegeben. So hat also die Großmutter das Kind genommen, und hat aus 2-3 m Entfernung ihm das Kind zugeworfen.  Und so kam er eben dann zu uns, und wir haben ihn aufgefangen mit all unserer Liebe und mit all unserer Sorge. Und heute ist er ein kräftiger, gesunder, frecher Junge, der lebensfroh und kräftig ist. Und so sind wir also sehr froh, dass wir ihm das Leben nicht nur retten konnten, sondern dass er jetzt ein froher und glücklicher Junge ist. Das war diese Geschichte, diese wahre Weihnachtsgeschichte, die ich Ihnen erzählen wollte.

(Musikeinlage)

Es gibt noch sehr viel mehr Kinder mit ganz schlimmen Schicksalen.
Ich denke eines der schlimmsten Schicksale möchte ich Ihnen in dem Sinn sogar vorlesen, weil wir mal eine Geschichte geschrieben haben über sein Leben, über seine Vorgeschichte. Wir haben also seine Vorgeschichte in eine Art Erzählung gefasst und wir haben (ihn selber sprechen lassen, d.h. wir haben) seine Mutter sprechen lassen in dieser Geschichte. Und diese Geschichte möchte ich jetzt erzählen: Die Mutter des Jungen, 
 wir haben ihn Sduduzo genannt, dies ist nicht sein wirklicher Name, aber wir nennen Ihn in der Geschichte jetzt einfach so. Und die Mutter, der haben wir den Namen Mpume gegeben, das ist auch ein erfundener Name. Also die Mutter spricht: Ich heiße Mpume, und im Juli 2000 war ich, so wie jeder andere, glücklich und blickte voll Zuversicht in die Zukunft. Ich war 29 Jahre alt und die Welt lag mir zu Füßen. Ich war von Mandeni nach Durban gezogen, um nach Arbeit zu suchen. Dort ging ich mit ein paar meiner neuen Freunde auf eine Party und dort traf ich den Mann, und dann fand ich heraus, dass ich schwanger war, doch sein Vater nahm sich nie die Zeit für ihn zu sorgen. Im Gegenteil, er gab mit den Laufpass, als er hörte, dass ich von ihm schwanger war. Er bezichtigte mich der Lüge, und das Kind könnte ja von einem anderen Mann sein. Ich habe geheult, aber beschloss mein Leben so gut als möglich in meine eigenen Hände zu nehmen. Mein lieber kleiner Sduduzo war gesund und wuchs prächtig.  Aber ich fühlte mich zunehmend abgeschlafft und musste dauernd husten. In der Zwischenzeit lernte ich einen anderen Mann kennen, der für meinen Sohn wie ein guter Vater war. Sduduzo und ich sind mit ihm zusammen gezogen. Er war so gut zu uns, und half uns, mit unseren Problemen fertig zu werden. Mir ging es zunehmend schlechter, und dann fand ich heraus, dass sich wieder schwanger war. Buyi, mein Lebensgefährte, sorgte für uns alle. Ich bin überzeugt, dass er meinen Sohn und mich wirklich geliebt hat. Im Verlauf meiner Schwangerschaft ging ich regelmäßig zur örtlichen Klinik zur Untersuchung. Ich war gerade 30 Jahre alt, in der Fülle meines Lebens. Da war ich wie vom Blitz getroffen. Eine Katastrophe! Die Schwester in der Klinik hatte mir Blut abgenommen. Sie bot mir einen Stuhl an, und sagte mir dann, dass ich HIV-positiv bin, dass mein CD4-Wert sehr niedrig ist, und dass sich an AIDS im Stadium 3 leide, und eine Lungentuberkulose habe. Ich war am Boden zerstört. Was soll ich jetzt nur tun? Was wird mit Sduduzo geschehen? Was wird mit dem Baby in meinem Leib geschehen? Wird mir die Klinik antiretrovirale Medikamente geben? Wie lang habe ich noch zu leben? Ist Buyi auch HIV-positiv? Fragen über Fragen gingen mir durch den Kopf. Meine Welt brach zusammen. Die Schwestern in der Klinik gaben mir TB Medizin. Die brachte mich zum Erbrechen. Sie gaben mir Multivitamin- und Eisentabletten, aber die halfen auch nicht wirklich. Sie gaben mir Schmerzmittel und etwas gegen Durchfall. Ich nahm immer mehr ab, obwohl ich schwanger war. (Buyi und) mein Sohn wurde im August 2003 geboren. Ich war so geschwächt, dass wir nicht mehr rechtzeitig ins Krankenhaus kamen. Das Baby kam zuhause auf die Welt, aber auch er war sehr krank und überlebte nicht. Jetzt musste ich mein kleines Baby begraben. Nun war es Buyi mit meinem zweijährigen Sohn und mir zu viel geworden. Wir zogen ins Haus meiner Mutter um, in dem sie mit meinem Bruder lebte. Eines Nachts kam er spät nachhause. Er hatte sich volllaufen lassen und war schrecklich aufgeregt. Meine Mutter stritt mit ihm weil er betrunken war. Er griff zum Messer und erstach sie direkt vor unseren Augen. Ich war viel zu schwach, um auch nur irgendetwas zu tun. Sduduzo rannte zu Mama, die am Boden lag. Er brüllte: „Oma! Oma!“ Aber es war zu spät. Sie war schon tot. Mein Bruder trat auf Sduduzo mit seinen Füßen ein. Sein schwerer Stiefel schmetterte auf Sduduzos Kopf. Er flog durch die Luft und viel bewusstlos zu Boden. Er hatte einen Schädelbruch und einen Trommelfellriss. Er fragte mich immer wieder, warum all das uns zustoßen muss. Ich habe nie jemand etwas zu Leide getan. Da kam Buyi. Er sagte, ich solle besser nach Mandeni zurückgehen, wo meine Schwester lebt. Nun kam ich in Zamas Kraal an, wo sie mit ihrem arbeitslosen Mann und drei Kindern lebte. Zama sah auf den ersten Blick, dass sie nicht in der Lage war, Sduduzo und mich zu sorgen. Sie hatte keinen blassen Dunst wie man mit einem schwerst Aidskranken umgeht, wie man ihn pflegt, und sie hatte nicht einmal Geld, ihre eigenen Kinder zu ernähren. Ich wusste, dass ich von ihr und ihrem Mann zu viel verlangte. Trotzdem ließ uns Zama nicht im Stich. Sie brachte uns zu Blessed Gérard’s Hospiz. Sduduzo war bei der Aufnahme noch immer verängstigt und hatte schlimme Schmerzen. Die Schwestern nahmen Sduduzo und mich auf und sorgten für uns beide. So konnte ich noch mit meinem herzigen Sduduzo zusammen sein bis mich Gott drei Tage später zu sich rief. Jetzt bin ich wieder mit meiner Mutter und meinem winzigen Baby vereint. Sduduzo wird nun im Blessed Gérard’s Kinderheim liebend umsorgt. Sein Ohr hat zu eitern aufgehört. Er hat viele Freunde und er lacht auch wieder. Jetzt bin ich glücklich und ich schaue gern zu ihm herunter, weil er eine gesicherte Zukunft hat in den Händen von Menschen, die sich wirklich um ihn und andere annehmen.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer von Radio Gloria, die später zu uns gestoßen sind, wir hören die Sendung mit dem Titel „Herbergssuche im Zululand. Das Heim für Kinder ohne Eltern oder ohne Zuhause“. Zu Gast bei uns ist der Pater Gerhard Lagleder.

Und jetzt möchte ich Ihnen noch eine weitere Geschichte erzählen. Wir haben ja insgesamt 43 Kinder momentan. Und von diesen 43 Kindern hat jedes einzelne Kind eine meist sehr schreckliche Leidensgeschichte hinter sich. Wir sind ja hier kein Internat, in dem Kinder untergebracht sind, und dann am Wochenende nachhause zu Familie gehen, sondern wir sind das zuhause. Wir sind das Heim für Kinder, die sonst einfach niemand haben, der sich um sie kümmert.
Jetzt möchte ich Ihnen noch eine etwas lustigere Geschichte erzählen von einem Kind, der auch bei uns ist, und der jetzt auch quietschfidel ist. Und wie ist er zu uns gekommen? Es waren junge Zulu-Männer und die haben miteinander Fußball gespielt. Das machen die Zulu ja sehr gerne. Und als einer den Ball weit übers Spielfeld hinausgeschossen hat, ist er dem Ball dann nachgelaufen, ins Gebüsch rein. Und auf der Suche nach dem Ball hört er dann auf einmal ein kleines Kind wimmern. Und er ist dann diesen Geräuschen nachgegangen und hat ein kleines Kind gefunden, das völlig übersät war mit Ameisen, geschrien hat, wo die Nabelschnur und die Nachgeburt noch am Kind dran war. Jetzt wusste dieser junge Fußballspieler natürlich überhaupt nicht, was der mit so einem Kind tun soll. Aber, Gott sei Dank, hat er das Kind aufgehoben, samt der Nachgeburt und hat das Kind zur Polizei gebracht. Die Polizei war auch ratlos. Die haben das Kind dann in die örtliche Klinik gebracht. Dort wurde des Kind abgenabelt und gewaschen und dann hat Klinik gesagt: „Ja wir wissen auch nicht was wir mit dem Kind tun sollen.“ Und dann hat man uns angerufen. Und das ist jetzt schon vor einigen Jahren gewesen und so ist, nennen wir ihn der Sibusiso, so ist der Sibusiso zu uns gekommen. Und das Schöne bei solchen Kindern ist ja eigentlich, dass sie sich überhaupt nicht erinnern können, durch welche schlimmen Erfahrungen sie durchgegangen sind, und dass die also wie ein unbeschriebenes Blatt zu uns kommen und so praktisch bei uns, wirklich wie in einem echten Zuhause, aufwachsen können. Wir haben noch mehrere ausgesetzte Kinder. Ein anderer Trick ist der, da haben wir zwei, die auf dieselbe Art und Weise zu uns kamen. Der eine, der kürzlich kam, da war die Geschichte die, dass eine junge Frau an einer Bushaltestelle stand, und dann kam auf einmal eine andere Frau auf sie zu und sagte: „Ja, sind sie doch so lieb und halten mir mein Kind. Ich muss schnell auf die Toilette gehen und ich will mein Baby da nicht mitnehmen. Da ist es so schmutzig. Und wenn ich fertig bin mit der Mitte Toilette, dann komm ich und nehme ihn wieder.“ Und die ist dann weggegangen und ist nie mehr wieder gekommen. Und seitdem ist der Kleine bei uns, und das ist erst ein paar Wochen her, und er ist also nur ein paar Wochen alt. Also er kam zu uns 2-3 Wochen alt. Also diese Art von Kinder Aussetzen kommt bei uns immer wieder vor, und so haben wir einige dieser Kinder. Aber, wie ich schon sagte, wenigstens ist diesen Kindern nichts Schlimmes passiert, und so kann man sich gut um sie kümmern.

Ein schlimmerer Fall ist der Fall des Bhekithemba, den ich Ihnen auch kurz erzählen will. Und mit dem Bhekithemba ist folgendes passiert: Nämlich mit seiner Mutter hat er gelebt bei Verwandten. Und ein großes Problem ist ja bei uns, dass sehr viele junge Frauen schwanger werden, obwohl sie das gar nicht wollen. Es kommen ja etwa 95 % der Kinder außerhalb der Ehe zur Welt und da ist eben dann so ein Kind ein unerwünschter Nebeneffekt des Geldverdienens. Und so werden eben sehr viele Kinder auch gar nicht so richtig geliebt. In dem Fall war es aber anders. Das Kind wurde geliebt, aber nicht von der Familie. Bei den Verwandten, bei denen die Mutter mit dem Kind war, die haben dann herausgefunden, dass die Mutter und das Kind AIDS hatten, und die haben dann das Kind und die Mutter völlig ausgesperrt, und zwar im wortwörtlichen Sinn, in eine kleine Hütte außerhalb des Familien-Kraals, und haben in dieser Hütte die Tür zugesperrt und, ohne dass sie Wasser drin hatten, ohne dass sie eine Toilette drin hatten, und die haben dann das Essen durch einen Spalt unter der Türe in einem Napf durchgeschoben, und das Wasser da durchgeschoben. Also die haben die wirklich behandelt – mir fehlen die Worte – das ist also schlimmer wie zur Zeit Jesu die Leprakranken behandelt wurden, und so völlig ausgestoßen, weil jeder vor dem AIDS riesengroße Angst hatte. Und gottlob sind die Nachbarn darauf aufmerksam geworden, was dort vor sich geht, und haben dann die Sozialarbeiter gerufen. Und die Sozialarbeiter haben dann dieses Kind und die Mutter zu uns gebracht. Die Mutter starb an AIDS bei uns im Hospiz, und der Junge ist heute noch bei uns. Er ist auch in AIDS Behandlung und darum geht's im jetzt wunderbar. Er ist quietschfidel und er fühlt sich gesund und kräftig, und wir sind sehr froh, dass also er wenigstens eine gute Zukunft haben kann.

Jetzt möchte ich Ihnen noch eine andere Geschichte erzählen, die eigentlich auch ganz schlimm ist: Ich wurde gerufen: „Herr Pater kommen Sie doch bitte! Da ist ein kleines Kind. Der ist etwa neun Jahre alt.“ Ich bin dann dort hingefahren, konnte gar nicht bis zur Hütte fahren, weil es sehr unwegsames Gelände war, bin dann etwa eine Stunde noch durch den Busch mit den Leuten gewandert und auf den Berg rauf gestiegen, wo die Hütte war. Und da sah ich den kleinen Jungen. Und er wog zwölf Kilo mit neun Jahren! Er war so extrem unterernährt. Wir haben dann gleich mitgenommen. Er war also wirklich wie so ein Skelett mit Haut überzogen. Und ich habe ihn dann mitgenommen, und obwohl ich eine Stunde durch den Busch wieder wandern musste, der hat ja nichts gewogen, das war also nicht einmal beschwerlich, den zu tragen, und habe ihn dann zu uns ins Care Centre gebracht, und dort wurde er dann untersucht. Und wir haben herausgefunden, dass die Mutter HIV-positiv war. Wir haben dann später bei ihm einen AIDS Test gemacht und der war nicht HIV-positiv, Gott sei Dank. Aber was passiert ist, was wir dann später herausgefunden haben, von der Großmutter, ist, dass er bei der Geburt einen Hirninfarkt hatte und von da her eine schwere Epilepsie erlitten hat. Und diese schwere Epilepsie war natürlich Jahre lang unbehandelt geblieben. Und damit sind schwere Gehirnschäden bei ihm entstanden, die natürlich leider irreversibel sind. Und so kam er also am Anfang zu uns. Er hat überhaupt nicht reagiert. Er hat weder auf Lachen reagiert, noch auf Anfassen, noch auf irgendetwas. Wenn man mit der Hand vor seinem Gesicht hin und her gefahren ist, hat er keine Miene verzogen, und hat dann nicht mit den Augen geblinkt. Er war also völlig apathisch. Und es hat dann ewig lang gedauert, bis wir ihn überhaupt so weit hatten, dass er etwas zu trinken und zu essen angenommen hat. Und dann hat es sehr sehr lang gedauert, bis er sich dann erholt hat, und bis er kräftig geworden ist. Und das ist jetzt auch schon mehrere Jahre her, dass er bei uns ist. Und jetzt ist er kräftig. Jetzt läuft er rum. Jetzt freut er sich. Jetzt kann man lachen. Jetzt kann er weinen. Jetzt kann er mit den anderen Kindern spielen. Aber er ist natürlich leider geistig schwerstbehindert und auch körperlich. Er hat Lähmungserscheinungen, aber trotz seiner Lähmungserscheinungen kann er rumlaufen. Und inzwischen ist er 18 Jahre alt geworden, und so lange ist er schon bei uns, und so sind wir eben sehr froh, dass wir ihm nicht nur des Leben retten konnten, sondern ihm auch eine bestmögliche Lebensqualität schenken konnten.

So gibt es also sehr viele Kinder, die mit unterschiedlichsten Voraussetzungen zu uns kommen.

Ein anderes Kind, die Geschichte möchte ich Ihnen auch noch erzählen, weil die ganz schrecklich ist:  Diese andere Geschichte ist: Nennen wir das Kind Irene. Die kleine Irene kaum zu uns im afrikanischen Winter. Es ist Juli und die Nacht ist kalt im afrikanischen Winter. Die Eltern das Babys Irene feiern irgendeinen unbekannten und unwichtigen Anlass. Schon wieder haben sie heftig getrunken. Irenes Mutter ist schwer betrunken, und als Irene zu schreien beginnt, wird sie sehr ärgerlich mit ihr. Irenes Mutter und ihr Freund sind arbeitslos und haben große Schwierigkeiten, ihre Kinder zu ernähren. Aber Nacht für Nacht haben sie genug Geld, um sich zu betrinken. Man könnte sich fragen, ob sie das tun, damit sie es nicht so mitbekommen, wie ihre Kinder vor Hunger Bauchschmerzen haben. Sie leben in einer Bruchbude aus Milchverpackungen, Pappkarton und einigen Stecken und Steinen. Die Bude ist so nah an der Straße, dass sie die Erschütterung der Räder spüren, wenn Lastwagen auf der Straße vorbeifahren. Diese Julinacht ist eine besonders schlechte Nacht. Die Kinder hatten den ganzen Tag lang geschrien. Es war kalt und feucht und sie hatten nichts zu essen. Irenes Vater kam von der Arbeitssuche nachhause und war schon betrunken. Irenes Mutter hatte Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Vater, und ein großer Streit entfachte sich. Die anderen Kinder versteckten sich, aber unglücklicherweise konnte die zwei Monate alte Irene das nicht auch tun. So wurde das arme kleine Kind verprügelt, bis ihr Gesäß grün und blau war. Es war solch ein Aufruhr, dass die Nachbarn zusammen liefen, um zu sehen was denn los sei. Dann lief alles ganz schnell ab. Die Polizei kam. Nachdem sie angehört hatten, was die Leute, die in den Buden in der Umgebung leben, zu berichten hatten, dass Irene jeden Tag verprügelt wird, wurde Irenes Mutter wegen Kindsmisshandlung festgenommen und in Polizeigewahrsam gebracht. Natürlich konnten sie Irene nicht bei ihrem betrunkenen Vater lassen, und so brachten sie sie zur Sicherheit ins Blessed Gérard‘s Kinderheim. Irenes Mutter war ziemlich kühl und ohne jegliche Reue. Am nächsten Morgen untersuchte der Dienst habende Arzt in unserem Haus die kleine Irene gründlich. Irene konnte in der Krankenstation des Care-Zentrums bleiben, um intensive Pflege und viel Liebe zu erfahren, und damit sie über die nächsten Tage hinweg überwacht werden konnte. Später wurde sie in unser Kinderheim verlegt. Irene lebt noch immer mit den anderen Kindern im Kinderheim und entwickelt sich prächtig. Und das ist auch schon wieder fünf oder sechs Jahre her. Sie wird bei uns bleiben bis nach der Gerichtsverhandlung. Die Gerichtsverhandlung war und die Irene kann leider nicht zurück zu ihrer Mutter, weil die Mutter völlig verantwortungslos ist. Sie ist ein hübsches kleines Mädchen und genießt all die Liebe, Pflege, das gute Essen und die Sicherheit, derer sie sich in unserem Kinderheim erfreuen kann. Auch das eine ganz schreckliche Geschichte, wie die kleine Irene zu uns kam. Und ich habe ein Foto hier vor mir, wo das ganze Gesäß wirklich völlig dunkel blau und grün angelaufen ist. So wurde das arme kleine Kind verprügelt. Und jetzt ist sie auch eine fröhliche und glückliche, und kann sich gottlob an all diese Dinge überhaupt nicht erinnern.

Und das ist das Schöne, dass wir diesen Kindern bei uns wirklich ein echtes Zuhause geben können, dass wir für sie die Elternrolle übernehmen können, dass wir Ihnen nicht nur etwas zu essen geben, und nicht nur ein warmes Bettchen, sondern dass wir Ihnen auch sehr viel Liebe schenken können, und in dieser Liebe Ihnen erfahren lassen, dass der Liebe Gott für sie da ist, und genau das ist ja die Aufgabe unserer Missionsarbeit, den Menschen Liebe Gottes wirklich und wahrhaft spürbar zu machen.

Pater Gerhard, gerade in der Adventszeit müssen Christen auch an andere Menschen denken. Diese Kinder haben noch nie Advent wie wir feiern dürfen. Helfen wir, damit sie wenigstens gut versorgt sind! Pater Gerhard, bitte sagen Sie uns und unseren Hörern, wo wir am besten ihr Werk unterstützen dürfen.

Jetzt gebe ich eine Antwort, die Sie vielleicht nicht erwarten: Das Wichtigste ist uns wirklich das Gebet. Und darum möchte ich Sie, liebe Hörer, wirklich herzlich bitten, dass sie uns und die uns Anvertrauten, und besonders die Kinder in ihr Gebet mit hinein nehmen, und dem lieben Gott ans Herz legen und, wenn ich so sagen darf, sie mit an die Krippe bringen, in ihrem Gebet.

Das werden wir ganz sicher machen.

Ganz lieben Dank! Und wenn Sie uns auch helfen wollen, dass wir die Ausgaben, die wir natürlich mit den Kindern haben, bestreiten können, die ja nicht unerheblich sind, dann gibt es ein Spendenkonto.

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Ich sag Ihnen mal den Namen des Kontoinhabers. Der Kontoinhaber heißt „Bruderschaft des Seligen Gerhard e.V.“ und die IBAN Nummer, das ist die internationale Banknummer, mit der man auch von der Schweiz aus auf dieses deutsche Spendenkonto überweisen kann, ist: DE37721520700000012021. Und die Leute von Ihnen, die Verbindung zum Internet haben, können sehr einfach, nicht nur Informationen über unsere Arbeit und unser Spendenkonto, sondern auch viele dieser Geschichten, dich erzählt hab, dort nachlesen. Und unsere Internetverbindung ist auch ganz einfach.  Das ist WWW.BBG.ORG.ZA, und auf dieser Internetseite können sie sehr ausführliche Informationen finden, über unsere Arbeit, auch über die in unserem Kinderheim, und noch viel mehr von solchen Geschichten, wie ich sie Ihnen heute erzählt hab.

Herzlichen Dank, Pater Gerhard! Pater Gerhard, würden Sie uns noch Ihren Segen geben?

Gerne! Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Herr, allmächtiger Gott, wir bitten Dich, das Du uns, unsere Herzen öffnest für Deine Liebe, so dass wir zu einem Spiegel Deiner Liebe werden können, und die Liebe, die Du uns schenkst, die Du uns jetzt gerade im Advent schenkst, in der Zeit wo wir uns auf Dein Kommen an Weihnachten vorbereiten, dass wir diese Liebe weiter schenken können an die Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Dazu segne und behüte Euch der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen. Gelobt zu Jesus Christus. In Ewigkeit. Amen.

Das ist sie gewesen, unsere Sendung mit dem Titel „Herbergssuche im Zululand“. Ihnen, Pater Gerhard, möchte ich recht herzlich Danke sagen, dass Sie bei uns auf Radio Gloria als Gast und Referent gewesen sind. Auch bei Ihnen, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, möchte ich mich recht herzlich bedanken, dass Sie mit mir durch die Sendung gegangen sind. Es würde mich freuen, wenn ich Sie wieder auf Radio Gloria begrüßen dürfte. Am Mikrofon ist gewesen: Gaby Kuhn, und ich wünsche Ihnen Gottes Segen.


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