Die große Hoffnung im Kampf gegen Aids – Die HAART Klinik - August 2009

Durch das HAART Programm, den Einsatz hochwirksamer antiretroviraler Medikamente, werden Aidspatienten behandelt. Durch die regelmäßige Einnahme dieser Medikamente können Infizierte bis zu 25 Jahre bei guter Gesundheit länger leben. Das bedeutet für eine Mutter, dass sie wieder in der Lage sein wird, sich um ihre Kinder und deren Erziehung zu kümmern. Da lagen Menschen todkrank im Hospiz. Durch die Verabreichung der Medikamente und die gute Pflege waren sie bald in der Lage, entlassen zu werden. Tag für Tag sind zwei Therapieberater, je in einem Geländewagen im Slum und im Buschland unterwegs. Sie machen Nachsorge bei den Aidspatienten. Sie überwachen die Einnahme der antiretroviralen Medikamente. Die Berater unterrichten die Patienten auch in Gemüseanbau und  Kleintierzucht. So werden die Menschen unabhängig und können sich selbst versorgen. Einen Tag bin ich mit einem der Therapieberater unterwegs. Die Kranken- und Therapieakten der zu Besuchenden hat er bei sich. Die Termine werden im Voraus mit den Patienten vereinbart, damit sie auch zu Hause sind. Im Gespräch erkundigt er sich über den Gesundheitszustand und fordert zum Beispiel eine Aidskranke auf, sich und ihr Baby im Hospiz wieder vom Arzt untersuchen zu lassen.

Die Frau hat ein gesundes Mädchen entbunden. Vor und bei der Geburt können Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, damit das Kind bei der Geburt nicht mit dem HIV Virus infiziert wird. Wenn bei der Mutter die Krankheit früh diagnostiziert ist, kann man rechtzeitig mit der antiretroviralen Behandlung beginnen, um die Virenbelastung auf ein Minimum zu reduzieren. Die Ansteckungsgefahr ist durch einen Kaiserschnitt wesentlich verringert. Eine sorgfältige Reinigung und Desinfektion des Geburtskanals kann helfen, ist aber weitaus weniger wirkungsvoll.

Die sogenannte Prävention der Mutter-zu-Kind-Infektion ( Prevention of Mother-to-child-transmission PMTCT) birgt die Gefahr in sich, dass zwar das Kind nicht infiziert wird, die Mutter aber nachher resistent werden kann, sodass eine später erfolgende antiretrovirale Behandlung wirkungslos bliebe. Dabei erfolgt eine einmalige Gabe einer Dosis von antiretroviralen Medikamenten zu Beginn der Geburtswehen.

Zwei Tage später sehe ich die Frau mit ihrem Mädchen im Wartezimmer des Hospizes und wir winken uns fröhlich zu.

Die Fahrt geht weiter durch den Busch.

Der Therapieberater fährt auf Wegen, die ich niemals für befahrbar gehalten hätte. Immer wieder tauchen wie aus dem Nichts ein paar Hütten auf. „Wie können Sie sich hier zurechtfinden in diesem weiten unübersichtlichen Gebiet?“ Herr Zulu sagt: „Ich habe mittlerweile große Erfahrung. Ich mache diese Aufgabe seit fünf Jahren (seit 1997 ist dieser versierte Mitarbeiter als freiwilliger Helfer und seit dem Jahr 2000 hauptamtlich für die Brotherhood of Blessed Gérard tätig).“ Und ist der Ort, aus dem unser Patient kommt, noch so entlegen, findet er den Weg dorthin.  Als wir nach langer strapaziöser Anfahrt in ein Haus eintreten, laufen laut gackernd viele Hühner aus dem Haus. „Die Großmutter, die Tochter, der Sohn und das kleine Mädchen haben alle Aids. Alle werden mit den Medikamenten versorgt.“ Der Therapieplan wird besprochen und der Berater fragt sehr genau nach, ob die Einnahme der Präparate von allen Familienmitgliedern regelmäßig erfolgt. Unregelmäßige Einnahme der Medikamente birgt die Gefahr in sich, dass das Virus gegen die Medikamente resistent wird.

Die beiden Therapieberater fahren täglich in den Busch und besuchen bis zu 13 Nachsorgepatienten pro Tag. Zu ihren Aufgaben zählt nicht nur die Beratung und Kontrolle der Einnahme der Medikamente. Die Männer helfen Patienten auch dadurch weiter, dass sie ihnen zeigen, wie man Gemüse, Salat und Früchte anbaut. So konnte sich ein Patient mittlerweile einen eigenen kleinen Betrieb aufbauen. Er hat alles, was ihm gezeigt wurde, umgesetzt. Er baut nicht nur Obst und Gemüse an, er züchtet auch Hühner. Mit Hilfe der Brotherhood of Blessed Gérard konnte sich dieser Patient eine Existenz aufbauen. Voll Stolz führt er uns durch seinen kleinen Besitz. Die Arbeit der Brotherhood hat im wahrsten Sinne des Wortes gefruchtet.

Ich freue mich sehr, als der Mann auf seinen Papaya-Baum klettert, um mir ein paar dieser wohlschmeckenden, saftigen Früchte zu schenken. Als wir gehen, schüttelt er uns freudig die Hände und winkt uns lange nach. Vier weitere Patienten besuchen wir an diesem Tag noch. Diese Arbeit ist enorm wichtig, da es diesen Menschen ohne diese Medikamente sehr bald so schlecht ginge, dass sie von ihrem Bett nicht mehr aufstehen könnten und den sicheren Tod vor Augen hätten. Zur letzten Patientin, die wir an diesem Abend noch besuchen, fährt dann später noch das Pflegeteam mit dem Sanitätsfahrzeug. Sie hat eine Mundfäule, die ein Zeichen dafür ist, dass durch ihre Aidskrankheit ihr Immunsystem geschwächt ist. Die Kranken haben ab einem gewissen Stadium der Krankheit mit vielen Infektionen zu kämpfen.

Am Abend frage ich meinen Bruder, Pater Gerhard, wie es denn sein könne, dass ganze Familien mit dem tödlichen Virus infiziert sind. „Weißt Du, die werden vergewaltigt. Oder wenn die Männer weit weg arbeiten und einmal im Jahr nach Hause kommen, beglücken sie ihre Frau mit einem neuen Kind und bei der Geburt wird dieses infiziert. Die Frau weiß meist noch gar nicht, dass sie HIV-positiv ist, da die Krankheitssymptome erst sehr viel später auftreten."

„Kann sich die Frau denn nicht wehren und sagen, wenn sie nicht mit ihm verkehren möchte?“, frage ich. „Nein“, antwortet mein Bruder, „die haben kein Recht gegenüber ihrem Mann. Er ist der Herr im Haus und die Frau muss gehorchen, ob sie will oder nicht. Das Schlimme dabei ist, dass sich die Virenzahl bei jedem ungeschützten Geschlechtsverkehr vermehrt. Das nennt man Reinfektion.“

Und mein Bruder erklärt weiter: „Es war einmal ein Doktorand der University of Berkeley in Kalifornien bei uns, um herauszufinden, warum Mandeni die AIDS-Hochburg der Welt ist. Und er ist zu zwei Schlüssen gekommen, nämlich es sei die Ungleichheit der Geschlechter und es sei die Armut. Wie sich das auswirkt ist, dass viel weniger Frauen Arbeit haben und dass die Frauen, die arbeiten, weniger verdienen als die Männer. Damit haben die Männer das Geld in der Tasche und die Frauen haben nichts und geben sich dann dem ältesten Gewerbe der Welt hin und zwar nicht in der Art so mit dem Handtäschchen an der Straßenecke zu stehen, sondern es gibt hier das so genannte "sugar daddy"-System und das heißt: "Ein Geschlechtspartner mietet mich mittelfristig an und die Leute haben dann für ein paar Monate oder ein Jahr einen Freund. Aber einer reicht nicht. Jetzt brauche ich einen zweiten und einen dritten und einen vierten. Der eine zahlt das Schulgeld für die Kinder, der andere zahlt meine Lebensmittel, der dritte zahlt mir die Miete und der Vierte zahlt die Kleidung. Auf diese Art und Weise ist bei uns die Promiskuität extrem hoch und damit haben wir natürlich diese extrem hohen AIDS-Raten, über die wir überhaupt nicht stolz sind, sondern im Gegenteil, die uns unheimliche Sorgen bereiten.“

Gefragt, ob unsere Arbeit nicht vergebens sei, weil ja doch keiner die ganze Welt retten kann, antwortet mein Bruder, Pater Gerhard: „Die ganze Welt können wir nicht retten, aber für jeden Einzelnen - und das sind Hunderte, die wir retten konnten -, bedeutet das jeweils die ganze Welt".

Mechthilde Lagleder  


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