Hätt' ich doch nur NEIN gesagt - Ostern 1999

(Dies ist eine Kurzgeschichte, die in der Absicht geschrieben wurde, Aufmerksamkeit zu erregen für die Katastrophe, die in unserer Gegend auf uns zukommt, und die Arbeit des Blessed Gérard's Care Zentrums & Hospizes darstellt.)

Diese Geschichte basiert auf Tatsachen,
aber wegen der Vertraulichkeit sind die Namen frei erfunden.

Fleißig wie Bienen schwirren viele Pflegekräfte um mich und andere. Einen Patient baden sie, einen anderen füttern sie und wieder einem anderen verbinden sie seine Wunden, aber die Dame im Bett neben mir liegt still mit ihrem Baby an der Seite.

Das Baby ist sechs Monate alt aber sieht aus wie zwei Monate alt. Sie weint ständig. Ihre Arme und Beine sind wie Streichhölzer. Thokozile, ihrer Mutter, geht es nicht viel besser. Sie wiegt nur 40 kg. Sie hat kaum noch Muttermilch in der Brust. Sie weint wenn sie ihr Baby ansieht, ausdruckslos und nicht einmal in der Lage, die Babynahrung zu schlucken, die ihr mit dem Fläschen gereicht wird. Thokozile liebt ihr Kleines und freut sich auf die nächsten paar Monate, die ihnen wohl noch gegönnt sind. Beide, Mutter und Kind haben AIDS. Thokozile bittet ihren Mann, neben ihr zu sitzen und sie zu trösten aber er muss weiterhin versuchen Arbeit zu finden - er weiß was er seiner Frau und seinem Kind übertragen hat. Er weiß auch, dass er selber HIV positiv ist und sieht sein Schicksal, wie im Kino, sich vor seinen Augen abspielen.

Die Stimme einer Pflegekraft unterbricht meine Gedanken, die mir meine Tuberkulose-Medizin bringt. Ihr sehe ihr ihr Mitleid an und ich fühle es in ihrer Stimme, denn sie weiß, was aus mir werden wird. Denn, sehen Sie, ich bin auch HIV-positiv und mir wird es eines Tages genauso gehen wie Thokozile und ihrem kleinen Mädchen.

Plötzlich bekomme ich Herzklopfen: Der Summer ist ausgelöst und das kleine Licht leuchtet rot über Thokoziles Bett. Die Krankenschwester kommt, eine großes Hin und Her und dann endgültig, schweigende Tränen.

Das winzige leblose Bündel wird von Thokozile weggetragen. Die Vorhänge werden zurückgezogen. Ich sehe Thokozile ausgezehrt auf ihrem Bett liegen. Ihr ganzer Körper zittert von den Seufzern herzzerreißenden Schmerzes. Alle Kraft hat sie verlassen.

Ich versuche, zu ihr hinzukommen, um sie in ihrer Verlorenheit zu trösten - aber ich selber habe keine Kraft. Plötzlich und schockierend wird es mir klar, dass ich der kleinen Dumisile folgen werde. Aber im Gegensatz zu ihr weiß ich, warum ich krank bin. Ich frage mich, wie lange habe ich wohl noch zu leben, einen Monat oder zwei oder vielleicht ein Jahr?

Hätt' ich doch nur NEIN gesagt!


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